Frau auf dem Wollfestival am Rande des Nervenzusammenbruchs

Bei Berlin Knits 2017
So viele Farben! So viele Abschattierungen! Ein Strang schöner gefärbt als der andere und das an jedem der gefühlt 500 Stände. Frau kauft jetzt entweder massenweise oder gar nichts, weil sie in diesem Moment überhaupt nicht mehr weiß, was sie eigentlich will. So ging es mir in den letzten Jahren auf jedem Wollfest. Klar Sockenwolle geht auf jeden Fall, aber schon bei Garn für ein Tuch fängt es an und es wird ganz schwer bei Pullis... Ich konnte mir nicht vorstellen, wie die Farbe am Ende verstrickt rauskommt, oder ich habe es mir ganz anders vorgestellt.
Dieses Jahr habe ich mir vorgenommen, dieses Thema etwas genauer zu betrachten. Meine ersten Forschungsobjekte waren 100 g Stränge mit "kurzen" Färbungen, also solche Färbungen die direkt auf den Naturstrang ohne weitere Veränderung des Strangs (wie z.B. anders wickeln, stricken,...) aufgebracht werden.
Das erste Projekt war ein Cardigan aus Rowan Fine Art Aran.
Das Garn hatte ich noch in meinem Garnvorratslager. Ich hatte immer etwas Vorbehalte es zu verstricken, weil das Grün sehr kräftig auf dem Strang wirkt. Insgesamt sind es vier Farben.
Vom Verhältnis der Farben ist das aber gar nicht so, grün gibt es genauso viel wie blau. Wenn man den Strang aufmacht, dann sieht es so aus:
Die Farblängen sind gleich, aber es gibt je vier Längen blau und grüne und je zwei Längen violett und rost.
Beim Stricken des großen Rückenteils der Jacke verteilen sich die Farben und es gibt optische Mischungen aber wenig "pooling", also es fallen wenig Maschen mit gleicher Farbe auf die gleiche Fläche. Die Fläche sieht gar nicht mehr zu bunt aus oder zu grün aus, sondern hat einen hellen freundlichen Gesamteindruck.
Ich habe das Design Saltaire von Martin Storey als Anleitung genommen. Dieses Design hat große aufgenähte Taschen. Ich habe schon vermutet, dass es bei den Taschen zu Musterbildung kommt, und war unsicher, ob ich die wirklich machen soll. Da die Jacke ja sowieso ein ziemlicher Hingucker ist, habe ich mich dann doch für die aufgesetzten Taschen entschieden.
Ja genau und hier kommt die Färbung dann aber wirklich richtig zur Geltung! Die rechte Tasche wirkt im Ergebnis gestreift.
Die linke hat eher ein Aquarellmuster. Ich habe etwas rumprobiert und wollte die beiden Taschen gleich hinbekommen, hatte dann aber keine Lust genau zu rechnen und habe dann diese Unsymmetrie in Kauf genommen.
So im Ergebnis ist die Jacke schon immer noch auffallend, aber hat eine viel weichere und harmonischere Farbe als der Strang für mich zunächst ausgeschaut hat.
Man muss sich also beim Kauf die optische Mischung der Farben mitdenken. Vor allem wenn man ein Kleidungsstück stricken will. Nicht einfach finde ich, wenn man eher nicht geübt ist.




Beim nächsten Projekt hatte ich die professionelle Unterstützung von Annette -->  Locoporella
Ich wollte den sportlichen Cardigan --> Lanes der Designerin Joji Locatelli stricken. Es ist ein Top-Down gestrickter Cardigan, also erst recht für handgestrickte Garne geeignet.
Glatt rechts finde ich ja immer etwas langweilig und ich hatte erst für meinen Mann einen graue Jacke gestrickt. Deshalb dachte ich, wir sollten doch wirklich eine Färbung nehmen, die eine Art buntes Muster auf dem naturweißen Garn erzeugt. D.h. wir haben nicht das komplette Garn gefärbt sondern nur Teile und zwar wie auf der Skizze.
Die Stränge sahen dann schon mal sehr hübsch aus, die Farben sind wirklich klasse! In etwa die Hälfte des Strangs bleibt natur, dann jeweils ein Viertel blau und orange und zwar symmetrisch verteilt. Für die Bündchen hat Annette dann noch aus demselben Blau zwei Stränge passend einfarbig gefärbt, also etwas hell-dunkel meliert, damit es besser passt.
Für mich war das Stricken dann schon ziemlich aufregend, denn wenn man beginnt, wirkt das Muster sehr unruhig. Andererseits sind die Reihen sehr abwechslungsreich und und ganz bestimmt weniger fad als einfarbig grau zu stricken. Richtig entspannt habe ich zugegebenermaßen erst, als ich das blaue Bündchen angestrickt habe, ich habe es etwas breiter als üblich gemacht (12 cm anstelle von 6 cm) damit die Jacke etwas optischen Halt bekommt.
Zwischendurch und vor allem auf den Ärmeln ergaben sich immer wieder Musterungen, sehr hübsch... Auf dem Foto sieht man auch, wie schön Annette gefärbt hat, die Farbstreifen haben immer gleichmäßige Verlaufsübergänge zu natur, sehr perfekt, darauf kommt es wirklich an, sonst sieht die Farbe ja nur gekleckst aus (also, vielleicht ist das ja auch mal gewollt, könnte im Einzelfall auch interessant sein)!
Hier das Gesamtergebnis, sehr klasse! Und wie schön gleichmäßig die Musterung ist! Links und recht vom V-Ausschnitt ganz symmetrisch, obwohl ich ja beide Teile unabhängig voneinander gestrickt habe, zwar beide von oben aber nicht am Stück... unterhalb der Ärmel ist es ja klar, da werden Rückseite udn Vorderteile zusammengestrickt. Seht ihr die Ärmel? Auch sehr symmetrisch und zwar ohne die geringste Anstrengung...




Ich bin schon sehr zufrieden...  also für diese Jacke - ABER jetzt habe ich hunderte von Ideen, wie man bei gleichem "Farbrhythmus" die Färbung variieren könnte: Natürlich beliebige Farbkombinationen auf natur, dann Farbkombinationen auf einem gefärbten Untergrund und dann könnte man beim Stricken die Garne mit dem gleichen Farbrhythmus in Streifen oder anderen Mustern mischen.... Aha... Also meine Erkenntnis ist jetzt: Die Farben müssen stimmen und als Strickerin sollte man den "Farbrhythmus" kennen um in etwa zu erahnen, wie das Ergebnis aussieht...

Na ja, oder man lässt sich halt einfach überraschen, man muss nicht alles steuern...

Jeans und einfarbige Blusen und Shirts sind die entspannten Stylingbegleiter dieser eher auffälligen Jacken...


Wer aber auf hübsche bunte Blusen steht, der bleibt vielleicht lieber bei einfarbigen Färbungen... weshalb sollte man aber handgefärbtes Unigarn kaufen?
Naja klar, ganz vorne stehen die fantastischen Farbschattierungen, die es bei den FärberInnen gibt, die findet man nicht mal bei teuerem Luxusgarn (obwohl ich als Rowanfan ja bei Rowan immer eine passende Farbe finde, nur so als Bemerkung), aber als zweites ist es so, dass die Färberinnen ein bisschen Melange einfärben, weil das KundInnen lieben. Das fertige Kleidungsstück bekommt dadurch einen Vintagecharakter und wirkt sehr handwerklich.
Beerentöne sind der absolute Liebling und hier habe ich jetzt noch ein Wohlfühlprojekt in Bordeaux, Stricken kann ja sooo abwechslungsreich und entspannend sein.









So liebe StrickfreundInnen, ich glaube zwar, dass ich auch beim nächsten Wollfestival Herzrasen bekomme, aber ein bisschen klarer sehe ich dann doch.

Ich wünsche Euch ein tolles Strickjahr 2018 und viel Freude, Gesundheit und sonst nur Gutes!

Kommentare

  1. Hallo, ein kleiner Tip; wenn man großflächige Strickstücke irgendwie gleich bekommen möchte, muß man mit 2 Strängen abwechselnd stricken... d.h. 2R mit einem Strang, dann wieder 2R mit dem zweiten.
    Bei den aufgesetzten Taschen wäre es sicher einen Versuch wert... ist ja nicht so große Fläche...
    VlG Nora

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    1. Vielen Dank! Das ist wirklich ein super Tip, bei anderen Designs wären die auffallenden Taschen eher nicht passend, dann hätte man eine Lösung.

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  2. Vielen lieben Dank für diese tolle Recherche - die nebenbei bemerkt in zwei noch tolleren Jacken gipfelt ;) - ich lasse mich immer wieder von der "Metamorphose des Garns" überraschen und wende bei großen Teilen Noras Tipp an. Aber ich werde die nächsten Stränge vor dem Wicken mal nicht nur als Strang fotografieren sondern auch in der Runde - mal sehen, ob meine Gedankenspielereien dann zum Ergebnis passen <3
    GlG Grit

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    1. Grit das interessiert mich, wenn du Fotos hast!

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    2. Das kann dauern ... meine Stränge lagern gerne mal 1-2 Jährchen, ehe sie verarbeitet werden *ups* Aber ich mache auf jeden Fall Fotos!

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